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Geschlecht und Führungspositionen

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17. Juni 2024
by Alyssa Schneebaum
Wie können wir mehr Frauen in Führungspositionen bringen?

Die Hälfte der Weltbevölkerung und etwa 54% der gesamten Erwerbsbevölkerung in Nordamerika und der Europäischen Union sind männlich. Allerdings befinden sich Männer seltener in führenden Positionen in der Kindererziehung, der Pflege von kranken und älteren Menschen sowie der Hausarbeit. Wenn es jedoch um bezahlte Führungspositionen geht, dominieren sie.

Dies sind die Zahlen: 

In der WirtschaftNur ein Viertel der Führungskräfte auf der C-Ebene in den Vereinigten Staaten sind Frauen, und nichtweiße Frauen befinden sich nur in einer von 16 dieser Positionen. Im Jahr 2023 hatten nur 52 der Fortune 500-Unternehmen weibliche CEOs, von denen nur zwei Frauen nicht weiß waren.

Im Gesundheitswesen: Trotz der Mehrheit der weiblichen Arbeitskräfte im Gesundheitssektor sind nur 25% der Führungskräfte im Gesundheitswesen der Vereinigten Staaten Frauen.

In der Wissenschaft: Frauen sind in Einstiegspositionen wie AssistenzprofessorInnen überrepräsentiert, während sie in höheren Positionen wie außerordentliche*r und ordentliche*r ProfessorIn, DekanIn und RektorIn unterrepräsentiert sind. 

In der Politik: Auf EU-Ebene sind Frauen in jedem nationalen Parlament durchwegs unterrepräsentiert, wo sie weniger als 50% der Mitglieder ausmachen, und im EU-Parlament, wo sie nur 40% der VertreterInnen stellen. Weibliche Politikerinnen sind in Österreich auf jeder Regierungsebene weiterhin ebenfalls unterrepräsentiert. Im Jahr 2023 wurden nur 219 von 2093 österreichischen Gemeinden von einer Bürgermeisterin geleitet, und in der Geschichte Österreichs gab es noch nie eine Bundespräsidentin. Zu Beginn des 118. US-Kongresses im Jahr 2023 war ein Viertel des US-Senats weiblich. Der Anteil der Frauen unter den stimmberechtigten Mitgliedern im RepräsentantInnenhaus betrug nur 28,5%, und 30% unter den Sitzen im Staatssenat. Darüber hinaus waren im Jahr 2023 nur 24% der US-GouverneurInnen und 48% der Kabinettsmitglieder Frauen.

Die Auswirkungen von Geschlechterungleichgewichten in Führungspositionen

In einer Welt, in der die meisten Führungspositionen von (überwiegend weißen, cis-geschlechtlichen) Männern (mittleren Alters) besetzt sind, werden andere Gruppen häufig vergessen. Die Bedürfnisse und Wünsche von Frauen unterscheiden sich manchmal erheblich von jenen der Männer – doch es sind hauptsächlich Letztere, denen die Entscheidungen für alle anvertraut werden. Caroline Criado-Perezs bahnbrechendes Buch Invisible Women aus dem Jahr 2019 bietet zahlreichende hervorragende Beispiele für die schädlichen Auswirkungen der ungleichen Verteilung der Entscheidungsgewalt. Zum Beispiel: Frauen erleben häufig körperliches Unbehagen in Büroumgebungen, in denen die Raumtemperaturen typischerweise basierend auf dem Stoffwechsel von Männern eingestellt werden – was dazu führt, dass Frauen frieren. Oder: Frauen erhalten häufiger schlechtsitzende Schutzkleidung in männerdominierten Branchen, da die Kleidung nach männlichen Modellen entworfen wurde. 

Es sind nicht nur einzelne Frauen, die unter der geringeren Repräsentation in Führungspositionen leiden. Auch Unternehmen verpassen dadurch ein großes Potenzial an Talenten. Studien haben ergeben, dass weibliche Führungskräfte in Bezug auf wünschenswerte transformationale Führungsmerkmale wie inspirierende Motivation, kontingente Belohnung, idealisierten Einfluss und individuelle Berücksichtigung deutlich höher bewertet werden. Forschungen (wie jene von McKinsey) zeigen, dass gender-diverse Unternehmen dazu tendieren, ihre Konkurrenz hinsichtlich Profitabilität zu übertreffen – dies trifft besonders zu, wenn die Geschäftsleitung aus drei oder mehr Frauen besteht. Neben positiven Effekten auf die Unternehmensleistung und die Verringerung von Geschlechterungleichheiten (ebd.), korreliert eine höhere weibliche Repräsentation in Vorständen mit einem stärkeren Engagement in sozialverantwortlichen Praktiken, was wiederum der Gesellschaft im Gesamten zugutekommt.

Warum sind Frauen trotz ihrer Bedeutung noch nicht in Führungspositionen vertreten?

Je höher man die Karriereleiter betrachtet, desto weniger Frauen sind dort zu finden. Einige Studien zeigen, dass das größte Hindernis für Frauen, Spitzenpositionen zu erreichen, nicht eine gläserne Decke, sondern eine sogenannte „gebrochene Sprosse“ ist. Mit anderen Worten: Die Ungleichheit in Führungspositionen beginnt beim Aufstieg in die erste Managementposition. Die folgende Abbildung, entnommen von McKinsey und LeanIn, veranschaulicht diesen Punkt. Für alle 100 männlichen Mitarbeiter, die zu Führungspositionen aufsteigen, erhalten nur 87 Frauen die gleiche Beförderung. Diese Diskrepanz ist bei Frauen der BPoC-Gruppe noch ausgeprägter, mit nur 54 bzw. 73 Beförderungen für je 100 Männer.

This figure shows that women are less likely to get promoted to leadership positions - and this is especially true for women of color.
Abbildung 1: Alle Frauen geraten beim ersten Aufstieg zur Führungskraft in Rückstand (Quelle: McKinsey, 2023, https://www.mckinsey.com/featured-insights/diversity-and-inclusion/women-in-the-workplace#/)

Das Literaturangebot hinsichtlich der Gründe für die Geschlechterlücke bei der Beförderung in Führungspositionen ist umfangreich. Zwei Themen stechen besonders vor: 

Bewusste und unbewusste Vorurteile und Stereotypen: Bestehende Führungskräfte bevorzugen häufig Persönlichkeitsmerkmale, die typischerweise mit Männlichkeit assoziiert werden, wenn sie nach neuen Führungskräften suchen. Darüber hinaus werden Frauen am Arbeitsplatz oft genauer hinsichtlich verschiedenster Aspekte geprüft, die nicht mit ihrer Arbeitsleistung zusammenhängen, wie z.B. ihr Aussehen. Sie werden strenger bewertet als ihre männlichen Kollegen (ebd.). Ein umfangreiches Literaturangebot zeigt Vorurteile gegenüber weiblichen Mitarbeiterinnen; ein bekanntes und wichtiges Beispiel ist, dass Frauen bei einem Orchestercasting eher gewählt werden, wenn sie hinter einem Vorhang spielen, als wenn sie für die Komponisten sichtbar sind. 

Durch Soziale Normen wird von Frauen verlangt, dass sie „fürsorglich und unterstützend“ sind, während Männer „hart und wettbewerbsfähig“ sein sollten. Diese Vorurteile führen oft zu Mikroaggressionen, insbesondere gegenüber Frauen (obwohl diese auch gegen viele Männer gerichtet sind!). Zum Beispiel erhalten Frauen im Vergleich zu Männern seltener herausfordernde Aufgaben und weniger Möglichkeiten, an wichtigen Entscheidungen mitzuwirken; wenn sie die Gelegenheit haben, an Entscheidungen teilzunehmen, erhalten sie weniger Anerkennung für ihre Beiträge. Darüber hinaus neigen Frauen dazu, ihr Aussehen oder Verhalten am Arbeitsplatz anzupassen, um den sozialen Normen zu entsprechen. Die Folgen: ein geringeres Selbstvertrauen, Mangel an Führungsmentalität und Unterschiede in der Entscheidungsfindung, wie das Meiden von Risiken.

Wie können wir mehr Frauen in Führungspositionen bringen?

Drei Ansätze haben sich besonders bewährt, um mehr Frauen in Führungspositionen in Unternehmen und am Arbeitsplatz zu bringen.

Erstens können Mentoring und Sponsoring eine entscheidende Rolle beim beruflichen Aufstieg spielen. MentorInnen können Empowerment bieten, das Selbstvertrauen stärken und den beruflichen Erfolg fördern, indem sie ihre Erfahrungen teilen und Ratschläge zur Bewältigung von Hindernissen wie der gläsernen Decke geben. SponsorInnen können als FürsprecherInnen gesehen werden, die durch die Bereitstellung von Finanzierungsmöglichkeiten und die Erweiterung von Netzwerken den beruflichen Aufstieg unterstützen. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Frauen Netzwerke für berufliche Aufstiegsmöglichkeiten weniger nutzen als Männer, daher sind Sponsoringprogramme, die auf den beruflichen Aufstieg ausgelegt sind, für Frauen hilfreicher. Die Implementierung von geschlechterdiversen Sponsoringprogrammen, die Aktivitäten wie den Aufbau enger Beziehungen zu Schützlingen, ehrliches Feedback und den direkten Netzwerkaufbau umfassen, kann sich positiv auf die Anziehung und Bindung weiblicher Talente und ihren beruflichen Werdegang auswirken. Ein Vorbehalt: HauptbetreuerInnen (meist Frauen) sind oft in ihrer Verfügbarkeit nach ihren regulären Arbeitszeiten eingeschränkt, wenn sie ihre zweite (unbezahlte) Schicht des Tages antreten. Daher nehmen sie seltener an Networking-Aktivitäten teil oder haben keine Zeit zusätzliche Stunden im Büro zu verbringen - Aktionen, die jedoch häufig als wünschenswert für den beruflichen Aufstieg angesehen werden.

Zweitens spielt Transparenz und Aufklärung über die Geschlechterlücke in Führungspositionen eine bedeutende Rolle beim Auslösen des strukturellen Wandels, der für die Unterstützung und Förderung von Frauen erforderlich ist. Eine Erhöhung der weiblichen Repräsentation an der Spitze, ohne gleichzeitige Behebung der „gebrochenen Sprosse“, bietet nur eine vorübergehende Lösung.

Drittens können Unternehmen davon profitieren, das volle Potenzial flexibler Arbeitszeiten, hybrider oder Fernarbeitsmodelle und bezahlter Arbeitsfreistellungen im Familienkontext für alle auszuschöpfen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Männer flexible Arbeitsmodelle oder Elternurlaub in Anspruch nehmen, um einen Wandel in den Geschlechternormen zu erreichen und somit ein gleichberechtigteres Umfeld für den beruflichen Aufstieg von Frauen zu schaffen.

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