Stapel Geldscheine

Der Gender Gap im Finanzwissen

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14. März 2024
by Alyssa Schneebaum
Eine höhere Finanzkompetenz fördert die finanzielle Widerstandsfähigkeit.

Die OECD definiert Finanzkompetenz als Fähigkeiten und Kenntnisse, die für finanzielle Entscheidungen wie Sparen, Ausleihen oder Investieren von Geld und zum Verständnis der damit verbundenen Risiken wesentlich sind. 

Wie der Titel andeutet, haben zahlreiche Studien erkennbare geschlechtsspezifische Unterschiede in der Finanzkompetenz festgestellt. Meine eigene Arbeit hat gezeigt, dass die Geschlechterkluft in der Finanzkompetenz in Ländern mit insgesamt hohen finanziellen Kompetenzniveaus am höchsten ist.

Meine Kolleg:innen und ich führten eine Studie in 12 Ländern durch und fanden besonders hohe geschlechtsspezifische Unterschiede in angelsächsischen Ländern (Großbritannien und Kanada); spätere Forschungen bestätigten die Ergebnisse. Im Gegensatz dazu zeigten osteuropäische Länder eher gleichmäßige Finanzkompetenzwerte, was wir auf ihre kommunistische Vergangenheit zurückführten. Meine Co-Autor:innen und ich schlossen daraus, dass geschlechtsspezifische Unterschiede in der Finanzkompetenz eine Folge der kulturellen und sozialen Normen bezüglich der Rolle von Frauen bei finanziellen Entscheidungen und ihrer Teilnahme am Arbeitsmarkt sein könnte. Tatsächlich fand eine Studie des Jahres 2024 unter Verwendung australischer Daten Hinweise darauf, dass die Kluft aus frühen Lebenserfahrungen stammt. Sie ist besonders hoch bei Teenagern (im Alter von 15 bis 19 Jahren) und wird daher durch Faktoren im häuslichen Umfeld, im Schulsystem und in späteren Aspekten des Arbeitsmarktes verstärkt (Ibid.).

Im Durchschnitt verfügen Frauen über weniger objektive finanzielle Kenntnisse als Männer. Aber sie neigen auch dazu, ihre tatsächlichen finanziellen Fähigkeiten zu unterschätzen. In einer Studie von 2021 untersuchten meine Co-Autor:innen und ich die Rolle des Selbstvertrauens in der finanziellen Kompetenz und stellten fest, dass Frauen in allen Ländern unserer Stichprobe im Durchschnitt weniger selbstbewusst waren als Männer. Studienteilnehmerinnen wählen in Finanzkompetenzumfragen häufig die Antwort "weiß ich nicht/unsicher". Interessanterweise entscheiden sie sich in Abwesenheit dieser Option oft für die richtige Antwort. Wir kamen zu dem Schluss, dass dieser Mangel an Selbstvertrauen ein starker Indikator dafür ist, warum Männer tendenziell risikofreudigeres Verhalten auf Finanzmärkten zeigen.

Die fehlende positive finanzielle Beteiligung kann sich negativ auf das wirtschaftliche Wohlergehen von Frauen auswirken. Tatsächlich zahlen US-amerikanische Frauen in einzelnen und zusammengelegten Haushalten seltener ihre Kreditkartenschulden vollständig zurück, investieren ihr Geld tendenziell nicht (mit Ausnahme der Altersvorsorge) und verfügen über keinen Notfallfonds und kein Ruhestandskonto unabhängig von der:dem Arbeitgerber:in. Frauen, die bei Finanzkompetenztests besser abschneiden, sind wahrscheinlicher selbstständig als ihre männlichen Kollegen.

Wie können wir diese Geschlechterkluft überwinden? Ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung in finanziellen Kenntnissen und Fähigkeiten besteht darin, sich mit den damit verbundenen Geschlechterrollen und -normen in der Gesellschaft zu befassen. Das soziale und kulturelle Umfeld der Erziehung spielt eine wichtige Rolle bei der Erklärung dieses Gender Gaps. Daher ist das Bildungssystem in dieser Situation von besonderer Bedeutung. Allgemeine Finanzausbildungsprogramme, die speziell auf Frauen ausgerichtet sind, haben das Potenzial, die Geschlechterkluft zu verringern. Der entscheidende Aspekt ist, dass Bildungsinterventionen nicht nur einen besseren Zugang zu finanziellen Informationen bieten sollten, sondern auch die finanzielle Entscheidungsfindung fördern und das Selbstvertrauen der Frauen in ihre Fähigkeiten stärken sollten.

 

Weiterführende Literatur:

Bucher-Koenen, T., Alessie, R.J., Lusardi, A., van Rooij, M., 2021. “Fearless Woman: Financial Literacy and Stock Market Participation”, NBER Working Paper 28723.

Cupák, A., Fessler, P., Schneebaum, A., 2021. “Gender differences in risky asset behavior: The importance of self-confidence and financial literacy”, Finance Research Letters, 42.

Cupák, A., Fessler, P., Schneebaum, A., Silgoner, M., 2018): “Decomposing gender gaps in financial literacy: New international evidence”, Economic Letters, 168: 102-106.

OECD, 2020. OECD/INFE 2020 International Survey of Adult Financial Literacy. OECD, Paris, available at http://www.oecd.org/financial/education/launchoftheoecdinfeglobalfinancialliteracysurveyreport.htm.

West, T., de Zwaan, L. and Johnson, D., 2023. “Do Women Have Lower Levels of Financial Literacy, or Are They Opting Out? A Look at the Non-response Gender Bias in Financial Literacy Measurement”, Financial Services Review, 31(1): 55–71.